European Science Foundation warnt davor, dass der Nutzen der Nanomedizin
ohne grössere Investitionen verloren geht
19 Dezember 2005
BRÜSSEL, Belgien. Die European Science Foundation gab heute die
Schlussfolgerungen aus ihrer weitreichenden Zukunftsstudie über die
Nanomedizin bekannt und verlangte eine klare Strategie samt Investitionsplan,
um sicherzustellen, dass Europa den Nutzen nicht verpasst. Der Bericht kommt
zu dem Schluss, dass die Nanomedizin vor einem Paradigmenwechsel im
Gesundheitswesen steht, bei dem es möglich sein wird, Menschen auf der
Grundlage bekannter genetischer Prädispositionen zu überwachen, Krankheiten
zu diagnostizieren, bevor Symptome auftreten, Medikamente gezielt zu
verabreichen und nicht invasive bildgebende Hilfsmittel einzusetzen, um zu
zeigen, dass die Behandlung wirksam war. Der ESF-Bericht merkt an, dass
Europa auf vielen Gebieten der für die Fortschritte in der Nanomedizin
erforderlichen Nanotechnologie besonders stark ist und dass verschiedene
europäische Firmen auf diesem Gebiet auf dem neuesten Stand der Forschung
sind. Eine weitere positive Anmerkung ist der Hinweis, dass die Finanzierung
der Forschung im Bereich der Nanotechnologie rasch wächst. Der Bericht warnt
jedoch auch davor, dass Europas Vermögen, eine führende Rolle zu spielen und
entsprechenden Nutzen zu ziehen, aufs Spiel gesetzt wird, wenn nicht eine
Reihe wichtiger Empfehlungen befolgt wird.
Ein Nanometer wird als der milliardste Teil eines Meters definiert -
1.000 mal kleiner als der Querschnitt eines menschlichen Haars. Die
Nanomedizin nutzt Hilfsmittel, deren Grösse im Nano-Bereich liegen, um
Krankheiten zu diagnostizieren, ihnen vorzubeugen und sie zu behandeln und
komplexe kausale Faktoren besser zu verstehen.
Die Zukunftsstudie der ESF zur Nanomedizin erstreckte sich über einen
Zeitraum von zwei Jahren; sie begann Ende 2003 und wurde im November 2005
nach der Erkenntnis fertiggestellt, dass die Nanomedizin - definiert als
Disziplin, die im "Nano"-Bereich miniaturisierte molekulare Hilfsmittel und
das Wissen über den menschlichen Körper auf molekularer Ebene zur Diagnose
und Behandlung von Krankheiten einsetzt - Wirklichkeit werden würde. Ein
ähnliches Muster ist auf dem Elektronik- und Werkstoffsektor erkennbar.
Durch Einbeziehung führender europäischer Experten auf diesem Gebiet aus
Hochschule und Industrie machte man sich in der Studie daran, das Gebiet zu
definieren, die zukünftigen Auswirkungen auf Gesundheit und Gesellschaft zu
diskutieren, die gegenwärtige Situation sowie Europas Stärken und Schwächen
zu bewerten, Empfehlungen zu zukünftigen Forschungstrends abzugeben und
Prioritäten für die Finanzierung zu setzen sowie zur Erfolgssicherung auf
nationaler und europäischer Ebene erforderliche organisatorische und
strukturelle Veränderungen zu benennen.
Der ESF-Bericht stellte fest, dass die Nanomedizin bereits einen
erheblichen Nutzen durch neue Diagnoseverfahren, bildgebende Hilfsmittel und
sogar Nano-Arzneimittel selbst bietet. Die genannten Beispiele behandeln u.a.
Biosensoren von Oxford Biosensors, bildgebende Systeme von Philips und
Schering sowie die auf Polymeren basierende Krebstherapie von Celltech.
Unter dem Vorsitz von Frau Professor Ruth Duncan von der Cardiff
University, VK, gibt der Bericht folgende Empfehlungen:
- Eine strategische Konzentration auf die Nano-Therapie bei schweren
Erkrankungen wie z.B. Krebs, neurodegenerativen Erkrankungen und
Störungen des Herz-Kreislauf-Systems
- 5- und 10-Jahrespläne, um die Fertigungsindustrie in die Lage zu
versetzen, sich auf die Herstellung von in vitro Multi-Analyte-Nanodiagnostika
und in vivo Nanosensoren und -geräten einzustellen
- Interdisziplinäre Weiterbildung und Schulung in Nanomedizin, um
sicherzustellen, dass Europa über genügend Spezialisten auf dem Gebiet
verfügt und um die Abwanderung hochqualifizierter Arbeitskräfte zu
verhindern
- Unterstützung von Kollaborationen in der Nanomedizin zwischen
Wissenschaftlern und der Industrie einschliesslich Zugang zu
Produktionseinrichtungen
- Eine Bestätigung, dass Nano-Arzneimittel eine neue Klasse von
Pharmazeutika darstellen und dass ein neuer genehmigungsbehördlicher
Ansatz erforderlich ist
- Eine Gegenüberstellung von Sicherheits- und Umweltbelangen wie z.B.
die Toxizität
- Die Gewähr, dass Politiker, Presse und Öffentlichkeit über die
Nanomedizin informiert sind und ihre Vorteile und möglichen Nachteile
verstehen
"Wir hoffen, dass dieser Bericht begrüsst wird und für entsprechendes
Handeln sorgt," schliesst Frau Professor Duncan. "Ich bin fest davon
überzeugt, dass wir uns am Beginn einer neuen Ära befinden und dass die
Umsetzung dieser Empfehlungen Europa in die Lage versetzen sollte, weiterhin
eine führende Rolle bei der kontrollierten Entwicklung der Nanomedizin zu
spielen."
Der Geschäftsführer der ESF, Bertil Andersson, sagte, dass er "mit dem
erfolgreichen Abschluss dieser Zukunftsstudie als einer ersten Aufgabe
dieser Art, die sich auf medizinische Anwendungen der Nanowissenschaft und
Nanotechnologie konzentriert, zufrieden" ist. Er fügte hinzu, dass die
Umsetzung der in der Zusammenfassung der Grundsätze dargelegten Empfehlungen
sicherstellen sollte, dass Europe weiterhin auf dem neuesten Stand der
Forschung und Entwicklung in der Nanomedizin bleibt. Ganz wichtig ist, dass
dies zu einer "Reduzierung der Kosten im Gesundheitswesen und zu einer
raschen Realisierung des medizinischen Nutzens für alle Bürger Europas
führen wird."
Die Website der European Science Foundation lautet:
http://www.esf.org
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