Schrödinger-Preis geht nach Jülich und Köln
14 August 2005
Jülich. Für einen Hirnschrittmacher zur Behandlung von Nervenerkrankungen
wie Parkinson erhalten Prof. Dr. Dr. Peter A. Tass vom Forschungszentrum
Jülich und Prof. Dr. Volker Sturm von der Universität Köln den
Erwin-Schrödinger-Preis. Die mit 50 000 Euro dotierte Auszeichnung des
Stifterverbandes für die Deutsche Wissenschaft wird jährlich für
herausragende interdisziplinäre Forschung in den Helmholtz-Zentren vergeben.
"Wir freuen uns riesig, dass der renommierte Schrödinger-Preis zum
zweiten Mal nach Jülich kommt", erklärte Dorothee Dzwonnek, die
Stellvertretende Vorstandsvorsitzende des Forschungszentrums Jülich. "Der
Preis unterstreicht die Stärke des Forschungszentrums: multidisziplinäre
Forschung über Fach- und Institutsgrenzen hinweg." Den Preis wird Dr. Arendt
Oetker, Präsident des Stifterverbandes, anlässlich der Jahrestagung der
Helmholtz-Gemeinschaft am 17. November 2005 in Berlin überreichen. Vor drei
Jahren hatten drei Jülicher Wissenschaftler - ebenfalls gemeinsam mit Kölner
Kollegen - den Schrödinger-Preis erhalten, und zwar für die
Effizienzsteigerung von Tensiden.
Der Mediziner, Mathematiker und Physiker Tass leitet die Arbeitsgruppe "Magnetenzephalographie
und Hirnschrittmacher" des Instituts für Medizin am Forschungszentrum Jülich,
der Mediziner Sturm ist Direktor der Klinik für Stereotaxie und Funktionelle
Neurochirurgie der Universität Köln.
Parkinson ist eine der häufigsten Erkrankungen des Nervensystems. In
Deutschland gibt es etwa 150 000 Parkinson-Patienten. Allerdings werden
viele Fälle nicht erfasst, so dass Schätzungen von 250 000 bis 400 000
Betroffenen ausgehen. Bei Parkinson-Patienten signalisieren bestimmte
Nervenzellen des Gehirns fehlerhaft: Während gesunde Nervenzellen ihre
Signale gezielt und aufeinander folgend wie beim Dominoeffekt von einer
Zelle zur nächsten weitergeben, feuern bei Erkrankten die Nervenzellen einer
bestimmten Hirnregion synchron, das heißt alle gleichzeitig. Als Folge hat
der Patient Schwierigkeiten, seine Feinmotorik zu steuern: Die Hände zittern
stark, einfache Tätigkeiten wie das Binden der Schuhe, das Zuknöpfen der
Kleidung oder das Schreiben werden unmöglich.
Bei vielen Parkinson-Patienten produzieren bestimmte Zellen im Gehirn den
Botenstoff Dopamin zu wenig oder gar nicht mehr. Dopamin hemmt beim gesunden
Menschen die Nervenzellen und sorgt dafür, dass nicht alle Zellen
gleichzeitig ihre Signale abgeben. Eine medikamentöse Behandlung mit Dopamin
hilft vielen Patienten nur für eine begrenzte Zeit und zeigt danach keine
Wirkung mehr. Bislang hilft diesen Menschen nur noch die Behandlungsmethode
der tiefen Hirnstimulation. Dabei implantieren Neurologen den Patienten eine
kleine Elektrode, die Stromstöße hoher Frequenz an die kranke Hirnregion
abgibt. Das unterdrückt die Nervenimpulse. Bislang erfolgte die elektrische
Stimulation als "Dauerfeuer".
Tass und seine Mitarbeiter haben die betroffenen Hirngebiete in
mathematischen Modellen nachgebildet und mit Methoden der nichtlinearen
Dynamik und statistischen Physik Stimulationstechniken entwickelt, die durch
Ausnutzung von Selbstorganisationsvorgängen ganz besonders effektiv und
schonend wirken. Die neu erworbenen Erkenntnisse ermöglichten es den
Wissenschaftlern, ein neues Verfahren zur Hirnstimulierung zu entwickeln,
das einzelne elektrische Impulse bedarfsgesteuert an unterschiedliche
Gruppen von Nervenzellen verabreicht. Bei dem Verfahren werden die
Nervenimpulse nicht wie bei herkömmlichen Implantaten unterdrückt, sondern
aus dem Takt gebracht, also desynchronisiert. Die erfolgreiche klinische
Erprobung gemeinsam mit dem Forschungspartner Sturm am Universitätsklinikum
Köln zeigte, dass das Zittern bei Patienten mit Parkinson oder Multipler
Sklerose besser und mit deutlich weniger Reizstrom unterdrückt wird. Deshalb
ist zu erwarten, dass diese milde, aber sehr effiziente Modulation der
Nervenzelltätigkeit im Dauergebrauch weniger Nebenwirkungen hervorrufen wird.
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