Neuer Röntgenblick ins Hirn

12 August 2010

Forschende der Universität Basel schauen mit einem speziellen Röntgenverfahren so genau ins menschliche Hirn wie nie zuvor. Mit der neuen Methode ist es ihnen gelungen, ohne Kontrastmittel sogar einzelne Zellen sichtbar zu machen. Die Technik könnte dereinst bei der Bekämpfung von Krankheiten wie Krebs helfen.

Bildgebende Verfahren sind aus der modernen Medizin nicht wegzudenken. Die heute gebräuchlichen Methoden haben allerdings Nachteile: Röntgengeräte liefern zwar scharfe Bilder von Knochen und Zähnen; doch Weichteile im Körper – aus denen zum Beispiel das Gehirn aufgebaut ist – lassen sich damit nur schlecht voneinander unterscheiden. Die Magnetresonanztomographie löst diese Probleme zwar gut; aber ihre räumliche Auflösung ist zu gering, um einzelne Zellen abzubilden.

Tiefer Blick ins Kleinhirn: Weisse Hirnsubstanz (orange) unterscheidet sich von zwei Typen grauer Hirnsubstanz (blau: Stratum granulosum; gelb: Stratum moleculare). Auch Blutgefässe (rot) und einzelne Zellen (unteres Bild) sind klar zu erkennen. Photo: Martin E Scwab/SNF

Tiefer Blick ins Kleinhirn: Weisse Hirnsubstanz (orange) unterscheidet sich von zwei Typen grauer Hirnsubstanz (blau: Stratum granulosum; gelb: Stratum moleculare). Auch Blutgefässe (rot) und einzelne Zellen (unteres Bild) sind klar zu erkennen. Photo: Martin E Scwab/SNF

Abgelenkte Röntgenstrahlen
Unterstützt vom Schweizerischen Nationalfonds (SNF), haben Forschende um Bert Müller vom Biomaterials Science Center der Universität Basel nun Bilder aufgenommen, auf denen nicht nur die weichen Gewebe des Gehirns unterschieden werden können, sondern sogar auch einzelne Zellen zu sehen sind. Sie verwendeten dazu eine ganz neue Messtechnik; eine aufwendige Art des Röntgens, die Phasenkontrastbildgebung genannt wird. Dabei massen Müller und sein Team, wie stark ein bestimmtes Gewebe die Strahlen ablenkt, und nicht – wie beim herkömmlichen Röntgen – wie viel Strahlung das Gewebe absorbiert.

Menschliches Kleinhirn abbilden
Im Fachmagazin «Journal of The Royal Society Interface»* berichten die Forschenden, wie sie mit der Methode ein menschliches Kleinhirn abbilden. Auf den Bildern lassen sich Blutgefässe erkennen. Die weisse Hirnsubstanz und verschiedene Typen grauer Hirnsubstanz unterscheiden sich deutlich voneinander. Klar ersichtlich sind zudem einzelne so genannte Purkinje-Zellen – ein relativ grosser, für das Kleinhirn typischer Zelltyp. «Das ist, wie wenn man so scharfe Augen hätte, dass man auf dem Mond einen kleinen Lastwagen sehen könnte», sagt Bert Müller. Es ist das erste Mal, dass einzelne Hirnzellen innerhalb eines zentimetergrossen Gewebeblocks sichtbar gemacht werden, ohne sie mit einem Kontrastmittel einzufärben.

Interessant für die Medizin
Beim lebenden Menschen werden derart detailgenaue Untersuchungen laut Müller wohl aber nicht möglich sein. Die benötigte Röntgendosis ist nämlich so hoch, dass sie für den Patienten gefährlich ist. Trotzdem ist die Technik hoch interessant für die Medizin. In einem weiteren SNF-Projekt versucht Müller in Zusammenarbeit mit Forschenden der ETH Zürich zum Beispiel, die kleinsten Blutgefässe in ausgewachsenen und Mäusen entnommenen Krebsgeschwüren nachzuweisen. Das soll zeigen, wie Tumore wachsen – und wie man sie daran hindern kann.

Reference

 Georg Schulz, Timm Weitkamp, Irene Zanette, Franz Pfeiffer, Felix Beckmann, Christian David, Simon Rutishauser, Elena Reznikova and Bert Müller (2010). High-resolution tomographic imaging of a human cerebellum: comparison of absorption and grating-based phase contrast. Journal of The Royal Society Interface, doi:10.1098/rsif.2010.0281.

 

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