Bienenwolf schützt sich mit Antibiotika
16 March 2010
Grabwespen der Gattung Philanthus, die so genannten
Bienenwölfe, beherbergen nützliche Bakterien auf ihrem Kokon, die einen
Schutz gegen schädliche Mikroorganismen garantieren. Wissenschaftler des
Max-Planck-Instituts für chemische Ökologie in Jena haben nun in
Zusammenarbeit mit der Universität Regensburg und dem Jenaer
Leibniz-Institut für Naturstoff-Forschung - Hans-Knöll-Institut -
herausgefunden, dass die Bakterien der Gattung Streptomyces einen
Cocktail aus neun verschiedenen Antibiotika produzieren und damit
eindringende Schädlinge abwehren.
Mit Hilfe bildgebender Massenspektrometrie konnte in vivo gezeigt
werden, dass sich die Antibiotika konzentriert auf der Außenseite
des Kokons befinden und diesen so effektiv gegen Infektionen
schützen. Der Einsatz verschiedener Antibiotika wiederum verhindert
Infektionen einer Vielzahl von pathogenen Mikroorganismen. Somit
machen sich Bienenwölfe schon seit Millionen von Jahren ein Prinzip
zu Nutze, das in der Humanmedizin als Kombinationsprophylaxe bekannt
ist. (Nature Chemical Biology, Vorab-Publikation, 28. Februar 2010)
Viele Insekten verbringen einen Teil ihres Lebens im Erdboden und
sind dabei dem Risiko einer Pilz- oder Bakterieninfektion
ausgesetzt. Dies gilt auch für zahlreiche Grabwespenarten, die ihre
Nester im Boden anlegen. Im Gegensatz zu Bienen, die Pollen und
Nektar zur Aufzucht ihrer Larven nutzen, jagen Grabwespen Insekten
als Nahrung für ihren Nachwuchs. Aufgrund der feuchtwarmen
Bedingungen und der großen Menge an organischem Material im
unterirdischen Nest sind sowohl die Nahrungsvorräte als auch die
Grabwespenlarven selbst von Krankheitserregern bedroht; Schimmel-
und Bakterienbefall stellen dabei eine besonders große Gefahr dar
und können in vielen Fällen zum Tod der Larve führen.
Abb.: Mehrere Monate überwintert die
Bienenwolf-Larve im Kokon, bevor das ausgewachsene Tier schlüpft.
Von Symbionten produzierte Antibiotika auf der Kokonoberfläche
gewähren Schutz vor mikrobiellen Schädlingen während der langen
Entwicklungsphase. Die Menge der Antibiotika wurde durch bildgebende
Massenspektrometrie (LDI-imaging) sichtbar gemacht und in
Falschfarben auf den Kokon projiziert. Bild: Johannes Kroiß und
Martin Kaltenpoth, MPI chemische Ökologie (Fotomontage)
Symbiose mit Bakterien erhöht
Überlebenswahrscheinlichkeit der Larve
Bei Bienenwölfen, also Grabwespen, die Bienen als Nahrungsmittel
jagen, ist im Laufe der Evolution eine elegante Lösung für das
Problem des Pilz- und Bakterienbefalls entstanden. Martin Kaltenpoth
und Kollegen an der Universität Würzburg haben bereits vor einigen
Jahren gezeigt, dass die Wölfe eine spezifische Symbiose mit
Bakterien der Gattung Streptomyces eingegangen sind. Weibliche
Bienenwölfe züchten diese Bakterien in speziellen Drüsen ihrer
Antennen und schmieren sie an die Decke ihrer Brutzellen. Die
Bienenwolflarven wiederum nehmen die Bakterien auf, spinnen sie in
die Seide ihres Kokons ein und erhöhen damit die
Überlebenswahrscheinlichkeit der Larven. Bisher war allerdings
unklar, wie dieser Schutz zustande kommt.
Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts um Aleš Svatoš und
Martin Kaltenpoth haben nun in Zusammenarbeit mit Kollegen der
Universität Regensburg und des Jenaer Hans-Knöll-Instituts
herausgefunden, dass die Symbionten neun verschiedene Antibiotika
produzieren. Dabei haben die Forscher die Substanzen erstmals direkt
auf dem Bienenwolfkokon, also in der natürlichen Umgebung,
nachgewiesen (s. Abbildung). Bei anderen Arbeiten über
Schutzsymbiosen konnten Antibiotika erst nach Isolation und
Kultivierung der Symbionten in künstlichen Nährmedien identifiziert
werden. Mithilfe der neuen bildgebenden Massenspektrometrie-Technik
(LDI-imaging) konnten nun die Jenaer Wissenschaftler zeigen, dass
die Antibiotika beim Bienenwolf hauptsächlich auf der Außenseite des
Kokons vorhanden sind. Dadurch wird das Risiko potenzieller
Nebenwirkungen auf die Larve verringert.
"Kombipräparat" verbreitert das Wirkungsspektrum
In zahlreichen Biotests mit verschiedenen pathogenen Pilzen und
Bakterien stellten die Wissenschaftler fest, dass die Bienenwölfe
sich somit das Prinzip eines Kombinationspräparats zu Nutze machen:
"Durch die kombinierte Behandlung mit Streptochlorin und acht
verschiedenen Piericidinen, die wir aus den Kokons isoliert haben,
wird ein sehr breites Spektrum an Mikroorganismen bekämpft, was mit
den Einzelsubstanzen so nicht möglich wäre. Bienenwölfe haben also
mit Hilfe ihrer Symbionten die Kombinationsprophylaxe, die wir aus
der Humanmedizin kennen, schon vor Millionen von Jahren evolviert"
erläutert Johannes Kroiß, Erstautor der Studie.
Mit ihrer Arbeit betreten die Forscher Neuland:
"Erstaunlicherweise weiß man über die ökologische Bedeutung von
Antibiotika in ihrer natürlichen Umgebung erst sehr wenig. Mit Hilfe
der bildgebenden Massenspektrometrie können wir aber jetzt die
natürliche Rolle von antibiotischen Substanzen in der Umwelt besser
verstehen", erklärt Aleš Svatoš, Leiter der Abteilung
Massenspektrometrie.
Gerade für die Erforschung symbiontischer Interaktionen kann
diese Technik wertvolle Erkenntnisse liefern. "Wir vermuten, dass
Schutz-Symbiosen wie die zwischen Bienenwölfen und Streptomyceten im
Tierreich viel weiter verbreitet sind als bislang angenommen", so
Martin Kaltenpoth, der seit Januar eine Max-Planck-Forschungsgruppe
über Insekten-Bakterien Symbiosen leitet. "Die Untersuchung der
Substanzen, die dabei eine Rolle spielen, trägt nicht nur wesentlich
zum Verständnis der Evolution solcher Symbiosen bei, sondern könnte
auch zur Entdeckung interessanter neuer Wirkstoffe für die
Humanmedizin führen."
Reference
Johannes Kroiss, Martin Kaltenpoth, Bernd Schneider,
Maria-Gabriele Schwinger, Christian Hertweck, Ravi Kumar Maddula,
Erhard Strohm, Aleš Svatoš. Symbiotic streptomycetes provide
antibiotic combination prophylaxis for wasp offspring. Nature
Chemical Biology, Advance online publication, 28. Februar 2010,
DOI 10.1038/nchembio.331