Springendes Gen schwächt die Wirkung eines neuen Risikogens für
Typ-2-Diabetes
14 July 2009
Potsdam-Rehbrücke - Bei der Suche nach Risikogenen für Typ-2-Diabetes
(Alterszucker) entdeckte ein Wissenschaftlerteam um Hans-Georg Joost und
Stephan Scherneck vom Deutschen Institut für Ernährungsforschung (DIfE)
nicht nur ein neues Diabetesgen, sondern auch einen neuen Mechanismus,
der dicke Mäuse für Diabetes weniger anfällig macht. Ein Erbgutfragment,
ein so genanntes springendes Gen oder Transposon, das bei einigen
Mausstämmen natürlicherweise vorkommt, vermindert die Aktivität des
Risikogens Zfp69. Wie die Forscher zeigen, ist auch das entsprechende
menschliche Gen (ZNF642) bei übergewichtigen Personen mit Diabetes
verstärkt aktiv.
Die Forschergruppe, zu der auch Wissenschaftler der Universität
Leipzig und des Deutschen Krebsforschungszentrums in Heidelberg gehören,
publizierte ihre Ergebnisse am 3. Juli in dem Open Access Journal PLoS
Genetics.
Neben Ernährung und Lebensstil beeinflusst das Erbgut (Genom) zu etwa
50 Prozent das Risiko für Typ-2-Diabetes. Da sich das Erbgut von Mensch
und Maus sehr ähnelt, nutzt das Team um Joost Mausmodelle, um noch
unbekannte Krankheitsgene zu identifizieren. Die Wissenschaftler wollen
anhand der Genfunktionen einen tieferen Einblick in die
Entstehungsmechanismen der Erkrankung bekommen, um beispielsweise neue
Strategien für Medikamententherapien zu entwickeln.
In der vorliegenden Studie verglichen die Forscher das Genom
verschiedener Mausstämme. Einige Stämme wiesen trotz Übergewichts keine
stark erhöhten Blutzuckerspiegel auf und waren weniger anfällig für
Diabetes. Dagegen entgleisten bei Tieren anderer Stämme mit steigendem
Körpergewicht der Fett- und der Zuckerstoffwechsel, so dass die Nager
rasch an Alterszucker erkrankten.
Nach den neuen Studiendaten ist dieser Unterschied auf ein kleines,
zusätzliches Stück Erbinformation zurückzuführen. Es ist in einem
nicht-kodierenden* Bereich des neu entdeckten Diabetesgens Zfp69
lokalisiert und schwächt dessen Wirkung. Ohne das Erbgutfragment ist das
Risikogen voll aktiv und begünstigt in Zusammenhang mit Übergewicht hohe
Blutzuckerspiegel und ein Entgleisen des Fettstoffwechsels. Das Gen ist
auch im Fettgewebe übergewichtiger Personen mit Diabetes aktiv - und
dies stärker als bei Gesunden. Es könne daher nicht nur bei dicken
Mäusen, sondern auch bei übergewichtigen Menschen Alterszucker
begünstigen, so die Forscher. „Unsere Daten weisen darauf hin, dass das
vom Risikogen abgeleitete Eiweißmolekül bei Übergewichtigen die
Fettspeicherung in den Fettzellen behindert. Als Folge lagert sich in
der Leber vermehrt Fett ein, was wiederum einen Diabetes begünstigt",
erklärt Stephan Scherneck, Erstautor der Studie.
„Wir haben damit ein neues, für Maus und Mensch gleichermaßen
bedeutsames Diabetesgen gefunden", sagt Hans-Georg Joost, Studienleiter
und wissenschaftlicher Direktor des DIfE. „Darüber hinaus haben wir
einen regulatorischen Mechanismus entdeckt, der bislang im Zusammenhang
mit Diabetes noch nicht beschrieben wurde".
Bei dem Erbgutfragment handele es sich um ein so genanntes „springendes
Gen" oder „Transposon" viralen Ursprungs. Die Beobachtung, dass „Transposons"
im Erbgut höherer Organismen einschließlich dem des Menschen auftreten
und das Erscheinungsbild eines Organismus verändern können, sei nicht
neu. Neu und interessant sei, dass ein Transposon vor Alterszucker
schützen kann und damit zur Erblichkeit der (verminderten)
Diabetesanfälligkeit beiträgt.
Die neuen Daten zeigten, wie wichtig es sei, nicht nur die Gene
selbst, sondern auch die Transposons in der Nähe der Gene genauer zu
untersuchen, die man bislang nicht mit der Erblichkeit von Diabetes und
Adipositas in Verbindung gebracht hat, so Joost weiter. „Das von uns
untersuchte Transposon ist ungewöhnlich aktiv und hat das Zfp69-Gen fast
völlig ausgeschaltet. Wir haben Hinweise dafür, dass es auch in anderen
Genen der Maus wirksam ist. Da das menschliche Genom voll von ähnlichen
Erbgutfragmenten ist, könnten diese dort eine größere Rolle spielen als
bislang angenommen."
Bookmark this page