"Schalter" für Wachstum von Blutgefäßen identifiziert
29 June 2009
An Beispielen wie Schlaganfall oder Herzkranzgefäßerkrankungen kann
man leicht erkennen, wie wichtig die Transportfunktion von Blutgefäßen
für unsere Gesundheit ist. Forscher suchen daher seit Jahrzehnten nach
Möglichkeiten, die Neubildung von Gefäßen und damit auch die Reparatur
von Organschäden gezielt anzuregen. Umgekehrt gibt es aber auch
unerwünschte Effekte durch die Bildung neuer Blutgefäße, die
beispielsweise die Ausbreitung von Krebserkrankungen fördern oder bei
Diabetikern zum Verlust des Sehvermögens führen können. Die Therapie
verschiedener Krankheiten erfordert also ein Verfahren mit dem
Neuverzweigungen im Gefäßnetzwerk je nach Bedarf stimuliert oder
blockiert werden können.
Den Forschern des Max-Planck-Instituts in Münster ist es nun erstmals
gelungen, einen "An- und Ausschalter" des Gefäßwachstums zu
identifizieren. Der "Schalter" ist ein Rezeptor mit dem Namen ‚Notch',
der auf der Oberfläche der Blutgefäßzellen, so genannter Endothelzellen,
sitzt. An diesen Rezeptor können verschiedene Oberflächenproteine
andocken, die den "Schalter" entweder auf "Ein" oder auf "Aus" stellen.
Ist die Zelle "eingeschaltet", ist sie für den Wachstumsfaktor VEGF
empfänglich, der den "Befehl" zur Zellteilung und damit zum Wachstum
einer neuen Ader führt. Die einzelnen Komponenten dieses biochemischen
Mechanismus waren bereits bekannt. Den Notch-Rezeptor (Schalter), das
Oberflächenprotein Delta-like 4, kurz Dll4 (Aus), und den
Wachstumsfaktor VEGF (Befehl zur Zellteilung) kannten die Forscher
bereits aus früheren Experimenten. Auch das Protein ‚Jagged1', das den "Schalter"
auf die Position "Ein" bewegt, war bekannt. Es handelt sich dabei
ebenfalls um ein Oberflächenprotein, also ein Eiweiß, das auf der
Außenseite der Zellen sitzt und in Kontakt zu Notch-Rezeptoren
benachbarter Zellen treten kann.
"Wir haben jetzt erstmals verstanden, wie diese einzelnen Komponenten
zusammen wirken. Dass das Protein Jagged1 in dem Zusammenhang als "Einschalter"
wirkt, ist eine völlig neue Erkenntnis. In anstehenden Versuchen an
Mäusen wollen wir lernen, das Gefäßwachstum, ähnlich wie es in Zukunft
einmal Medikamente beim Menschen leisten könnten, aktiv zu steuern",
erklärt Professor Dr. Ralf H. Adams.
Die Hemmung des Wachstumsfaktors VEGF (engl. ‘Vascular Endothelial
Growth Factor') wird bereits seit einigen Jahren bei der Behandlung von
Krebspatienten und bestimmten Augenerkrankungen eingesetzt. Leider ist
diese Therapie sehr teuer und nur bei einem Teil der Patienten
erfolgreich. "Da VEGF auch die Durchlässigkeit von Gefäßen erhöht und
dadurch zu Blutungen führt, kann dieser Faktor nicht zur therapeutischen
Förderung des Gefäßwachstums eingesetzt werden. Mit der Aufklärung der
Funktion von Jagged1 hoffen wir, nun eine echte Alternative für
zukünftige Therapieansätze gefunden zu haben", ergänzt Dr. Rui Benedito,
Zellbiologe der Abteilung Gewebebiologie und Morphogenese am Max-Planck-Institut.
"Neben der Wirksamkeit wird aber auch die Verträglichkeit dieses
Ansatzes zunächst gründlich geprüft werden müssen", erläutern Adams und
Benedito und warnen damit zugleich vor übertriebener Hoffnung auf
baldige Therapieansätze. "Notch, Dll4 und Jagged1 haben auch in anderen
Organen und Zelltypen wichtige Aufgaben. Das macht eine Beschränkung der
Wirkung auf Blutgefäßzellen anspruchsvoll. Wir hoffen dennoch, dass
unsere Arbeit zur Entwicklung neuer Medikamente führen wird."
Die Studie erfolgte in Zusammenarbeit mit Professor Dr. Achim Gossler
(Medizinische Hochschule Hannover) und war von Rui Benedito und Ralf
Adams bei Cancer Research UK in London vor ihrem Umzug nach Münster
(2008) begonnen worden. Die ausgezeichneten Arbeitsbedingungen am
Max-Planck-Institut und die enge Zusammenarbeit mit der Westfälischen
Universität Münster nennt Adams als wichtige Faktoren für die
erfolgreiche Forschungsarbeit seiner Gruppe.
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